Flucht oder Neuanfang?
Ankommen versus Fernweh
Da mich immer mal wieder die Frage erhascht, warum ich nicht lange an einem Ort bleibe und ich zuletzt tatsächlich feststellte, dass ich meistens nur 1 Jahr oder 2 Jahre an einem Ort war seit ich volljährig bin, sprach mich Angelikas Blogparade: In diesen Städten habe ich schon mal gewohnt sofort an 😊
Ich begann zu zählen… Ich bin 37 Jahre jung und wenn ich richtig gezählt habe, bin ich seit meinem 19. Lebensjahr bereits 15 Mal umgezogen. Das ergibt nach Adam Ries das oben bereits genannte Intervall 😉
Was trieb und treibt mich an? Flucht oder Neuanfang?
Wann komme ich an und wann ruft mich die Ferne?
Das erste Mal umgezogen bin ich als Kind mit meinen Eltern und meiner Schwester. Wir zogen innerhalb der Stadt des Motorsportes Hohenstein-Ernstthal von einer Wohnung in ein Eigenheim. Damals war ich sechs Jahre und kam kurz darauf in die Schule. Bei den Bauarbeiten rund um unser Haus war ich oft dabei und träumte davon, später selbst einmal Bauarbeiter (und abends Tänzerin 😉) zu werden.
Dann dauerte es 12 Jahre bis mein Umzugsmarathon begann 😉 Direkt nach dem Abitur zog ich mit meiner Jugendliebe gemeinsam nach Greifswald für eine Ausbildung. Wir wollten an der Ostsee studieren, hatten es jedoch Beide nur auf die Warteliste der Uni Rostock geschafft. Also begannen wir jeder eine Ausbildung in Greifswald und zogen dort in ein Internat. Drei Wochen später bekam ich doch noch meine Zusage für mein Biologie-Studium an der Uni und zog nach Rostock. An Greifswald kann ich mich daher nicht wirklich erinnern, aufgrund der begrenzten Zeit. Die meiste Zeit der drei Wochen verbrachte ich in dem entsprechenden Internat, glaube ich *haha* Mein Freund kam eine Woche später nach. Wir waren Beide im Losverfahren nachgerutscht und hatten doch noch unseren Traumplatz bekommen 😊
Für mich waren es Flucht und Neuanfang zugleich. Schon einige Jahre zuvor stand für mich fest, dass ich weg möchte, weg von Zuhause, etwas Neues sehen, neue Menschen kennenlernen, ans Meer. Hat geklappt! *hihi*
In Rostock lebte ich zwei Jahre und absolvierte mein Grundstudium der Biologie. Durch das Ende meiner Beziehung zu meiner Jugendliebe war für mich dann schnell klar, dass ich nach meinem Vordiplom die Uni wechseln möchte, weil ich die ständigen Begegnungen schlichtweg nicht ertragen hätte können bzw. wollen. Ich verließ meine heißgeliebte Ostsee und zog nach Jena. Wobei ich sagen muss, dass ich in den zwei Jahren, in denen die Ostsee quasi direkt vor meinen Füßen lag, letztlich gar nicht so oft am Meer war, wie ich mir vorgestellt hatte.
Mein Umzug nach Jena war definitiv eine Flucht. Aber eine Flucht, die mir auch eine neue Orientierung gab, denn ich wollte mich in meinem Studium spezialisieren − die Neurobiologie hatte es mir angetan. Da Magdeburg aufgrund der Versuchstierart (Katzen!) für mich ausfiel, entschied ich mich für Jena. Ich kann allerdings sagen, dass es nicht wirklich einfacher ist, Mäuse und Ratten zu quälen, zu töten und zu zerschneiden. Ja, das gehörte zu meinem Studium leider dazu. Doch es war, denke ich, ein bedeutender Schritt in meinem Leben, hin zu dieser Bewusstheit, die ich heute habe, und wie ich Dinge heute sehe, (skeptisch) betrachte und hinterfrage.
Ich verbrachte also ein Jahr in Jena, in dem ich mich sehr einigelte. Was bei einer Stadt wie Jena kaum vorstellbar ist, aber ich tat es. Bis mein damaliger neuer Freund mir mitteilte, er mache ein Auslandssemester in Frankreich. Völlig perplex bewarb ich mich ebenfalls für das Erasmusprogramm und bekam erst eine Zusage für Graz in Österreich und später dann noch eine viel genialere Gelegenheit.
Ich landete (im wahrsten Sinne des Wortes) in Schweden und erlebte eine meiner schönsten Lebenszeiten. 10 Monate voller Abenteuer, Reisen, Unternehmungen, Feiern, Tanzen, Lachen, Weinen, Leben. Durch das Erasmusprogramm fühlte ich mich super aufgehoben und es bot uns Studenten viele wunderbare Möglichkeiten. Ich fuhr jeden Tag bei Schnee mit dem Fahrrad zur Uni. Im Winter früh im Dunkeln hin und nachmittags im Dunkeln zurück, weil es einfach mal nur 3 Stunden Sonne gab. Im Sommer spielten wir nachts noch Frisbee bei hellem Sonnenschein, weil es einfach mal nicht wirklich dunkel wurde. Ich nahm an einer Radtour teil, entlang an Klippen, bei denen ich heute einen Herzinfarkt bekäme, wenn meine eigenen Kinder da auch nur entlang LAUFEN würden *haha* Ich fuhr einfach mal mit einem Snowboard, obwohl ich nicht mal richtig Ski fahren kann. Wir machten einen Ausflug mit Schlittenhunden, bei dem ich dachte, ich verliere meinen großen Zeh (erfroren), verkokelte stattdessen die Strümpfe am Feuer und belebte meinen Zeh irgendwann zum Glück wieder 😉 Ich fuhr vor der Uni freiwillig ins sogenannte Iksu und machte Sport. Ich lernte auf Englisch eine neue Fremdsprache (Schwedisch). Ich lernte Tumorbiologie und Immunologie sowie keine Ahnung wie viele Pilzarten auf Englisch. Und ich traf den Weihnachtsmann in Norwegen und sah wunderschöne Polarlichter. Ich ging abends tanzen und aß nachts noch Spaghetti mit den anderen (das wurde so ein Feier-Ritual).
Und ich verbrachte eine Nacht allein auf dem Flughafen, weil ich meinen Flug verpasste *haha* Das war kein schönes Erlebnis, aber auf jeden Fall ein sehr einprägsames 😉 Danke an meine liebe Schwester, die mir aus der Ferne einen neuen Flug buchte, damit ich am nächsten Tag fliegen konnte.
Wie der Zufall es will, lernte ich in Schweden jemanden aus Jena kennen *hehe* Und somit verschlug es mich nach den 10 Monaten (nach einer kurzen Zwischenstation bei meinen Eltern) wieder nach Jena. Innerhalb von Jena zog ich dann noch einmal um. Aufgrund der Arbeitsstelle meines Freundes zogen wir dann allerdings bald wieder um – diesmal nach Bad Klosterlausnitz. Hier erfüllten sich zwei meiner Träume − eine Maisonettewohnung und ein Wohnzimmer im Afrikastil. Zu Letzterem muss ich vielleicht kurz sagen, dass ich während meines Biologiestudiums immer davon träumte, im wilden Dschungel freilebende Menschenaffen zu sehen, zu beobachten, zu erleben. Manchmal schlägt noch heute mein Herz höher, wenn ich an diesen Wunsch denke, jedoch habe ich heute zu viele (andere) Ängste und Ausreden, es nicht zu machen *haha*
Nach (oder vielmehr während) meiner Trennung von besagtem Jemand 😉verschlug es mich aufgrund meines neu begonnenen Studiums der Sozialen Arbeit nach Gera. In eine kleine feine Wohnung an der Elster.
Flucht oder Neuanfang − such’s dir aus 😉
Ich genoss den kurzen Weg zum Wasser, begann mit Yoga, meditierte und hatte einen Schrebergarten im Visier. Bis einer der Hausmitbewohner der Meinung war, er müsse seiner Freundin unter mir vor die Tür ein Exkrementegeschenk setzen. Da nutzte ich die nächste Gelegenheit eines Umzuges, der sich anbot und landete diesmal in Eisenberg.
Definitiv Flucht 😉
Eisenberg bescherte mir (oder vielmehr ich mir selbst) eine sehr tiefgehende Zeit. Ich kam mit Abgründen meiner Selbst in Kontakt, die mir zuvor nicht bewusst waren, und ich erlebte Begebenheiten, die mich noch lange Zeit danach prägten. So intensiv und lehrreich diese Zeit auch war, so schnell durfte und musste sie dann auch beendet werden, und ich zog nach Bad Köstritz.
Definitiv Flucht UND definitiv Neuanfang! 😊
Denn kurz darauf lernte ich meinen Mann kennen. Einen jungen Hüpfer, der mich bei unserer ersten Begegnung in einer ziemlich abgefrackten Verfassung sah, denn es war der Tag der Abgabe meiner Bachelorarbeit und ich hatte (wie immer) die letzte Nacht durchgearbeitet, war fix und foxy, ungeduscht und ungepflegt − also genau so, wie jeder sich seine erste Begegnung mit dem zukünftigen Partner (NICHT) wünscht *ahaha* Vielleicht ist das ein Grund, weshalb er mich noch heute in jeder Lebensverfassung trotzdem attraktiv findet 😉 Danke, mein Herz!
In Bad Köstritz hatte ich eine zauberhafte kleine gemütliche Wohnung mit wunderbarem Ausblick. Ich denke noch heute manchmal wehmütig daran zurück. Ich hatte zwar nur so einen, meiner Meinung nach, völlig sinnfreien französischen Balkon (Wieso darf der überhaupt Balkon heißen?), aber ich saß immer dort mit meiner treuen Katze bei geöffneten Fenstern und genoss den weiten Blick über Wiesen und Felder. Dass der Mensch unter mir ein kleines Schreiproblem hatte, vergesse ich gern bei dieser Erinnerung 😉
Ein Jahr später zog ich bereits wieder aus – diesmal sollte es der letzte Umzug meines Lebens sein. Es sollte für immer sein, denn mein Mann und ich, wir kauften uns ein Haus mit großem Grundstück und erfüllten uns damit einen gemeinsamen Lebenstraum.
Nun, es war NICHT mein letzter Umzug! Denn erstens kommt es anders und zweitens als man denkt… Manche Träume sind vielleicht eher zum Träumen als zum (Aus)Leben da, oder dürfen noch optimiert oder verändert werden…
Wir kämpften über vier Jahre für diesen, oder vielleicht auch MIT diesem, Traum. Bis wir vor zwei Jahren Beide jeder einzeln nach Gera zogen. In diesen vier Jahren war ich übrigens bereits einmal nach Gera in eine Wohnung gezogen und dann wieder zurück nach Weida ins Haus. Man könnte meinen, irgendetwas in mir MUSS diese Frist von einem Jahr, maximal 2 Jahren einhalten. Kurios.
Nun lebe ich, leben wir, seit 2 Jahren in Gera und ich spüre schon wieder, wie es mich zieht. Weg. In die Ferne. Ans Meer. Woandershin. Ist es eine Flucht? Wenn ja, wovor? Kann ich dem trotzen? Kann ich dem Schema widerstehen? Was zieht mich? Was vertreibt mich? Oder was treibt mich an? Kann ich den Neuanfang in mir selbst finden?
Hier darf ich noch hinhorchen, hinschauen, hinfühlen. Die Kündigung ist schon geschrieben, doch seit einigen Wochen bewegt sich etwas in mir, dass mich zum Bleiben drängt.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich spreche von meinen eigenen inneren mentalen energetisch-seelischen Bewegungen 😉 Kein Baby! Auch wenn meine Kinder mir manchmal gern eines in den Bauch quatschen wollen. Nein, Danke! Ich bin durch für dieses Leben. Vielleicht in meinem nächsten Leben als Katze dann wieder.
Ciao *miau*
Liebe Jenny,
vielen Dank für die spannenden Einblicke in dein unstetes Leben und dass du damit meine Blogparade bereicherst! Ich dachte früher auch, es steckt wohl in mir drin, dass ich es nirgendwo lange aushalte. Als ich meine Tochter hatte, war es mir dann aber wichtig, etwas Stabilität in mein Leben zu bringen und nicht mehr allzu oft umzuziehen😉. Vielleicht geht es dir ja genauso. Wenn wir ehrlich sind, macht das Umziehen und immer wieder neu Eingewöhnen ja nicht wirklich Spaß, oder? Ich wünsche dir, dass du bald den Ort findest, an dem du bleiben möchtest (oder schon gefunden hast).
Liebe Grüße
Angelika
Liebe Angelika,
Danke für dein (Mit)Teilen.
Ehrlich gesagt, schlagen da zwei Herzen in meiner Brust. Einerseits habe ich so meine Probleme mit Veränderungen, insbesondere dann, wenn ich mich der Veränderung von anderen anpassen soll, und andererseits liebe ich die Veränderung. Jetzt, da ich erst einmal bleibe, räume ich trotzdem um, gestalte neu, miste aus. Ich glaube, manchmal mag ich am Umziehen schon allein den Fakt, dass ich ausmisten kann und mich mal wieder auf das Wesentliche konzentriere, mich von „Überflüssigem“ trenne und wieder ein bisschen wertschätzender und minimalistischer denke. Das befreit mich 😊
Herzliche Grüße